„Empowering a Greener and Wealthier Future“

3. Sep 2023

Nachhaltige Finanzkompetenz bei
Jugendlichen steigern – Aber wie?

Am bundesweiten YES-Wettbewerb (Young Economic Solutions – Junge Wirtschaftslösungen) nimmt eine Gruppe der kaufmännischen Johann-Philipp-Bronner-Schule teil. Sieben Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse des internationalen Zuges des Wirtschaftsgymnasiums (WGI) hatten sich im Dezember 2022 um Aufnahme zum Wettbewerb beworben. Nun ging die Wieslocher Gruppe als Sieger aus dem Regionalfinale Süd-West am „ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ in Mannheim hervor, wo acht Schulteams aufeinandertrafen. Damit qualifizierte sich die Gruppe um Dr. Bettina Sieber, ihre Lehrerin für internationale Wirtschaft, für das Bundesfinale in Hamburg vom 18. bis 20. September.

Nach der Zulassung zum Wettbewerb überlegte sich das Team zunächst drei verschiedene Themengebiete, mit denen es sich beschäftigen könnte. Hiervon wurde das Wunschthema „Die nachhaltige Finanzkompetenz steigern: Sind nachhaltige Anlagen das, wofür Sie sie halten?“ den Wieslochern zugeteilt. In den folgenden Monaten vertiefte sich das Team in die meist englischsprachige, wissenschaftliche „Must-Read-Literatur“. Dabei nahmen die Elftklässler eine Schweizer Studie unter Erwachsenen zum Ausgangspunkt ihrer eigenen empirischen Recherche und passten diese auf Jugendliche an.

Die Umfrage führte zu teils überraschenden Ergebnissen: Zentrale Begriffe wie „impact investing“ oder das von der EU eingeführte ESG-Siegel für Nachhaltigkeit von Aktiengesellschaften in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung seien nahezu unbekannt, so das Team. Die Unwissenheit unter Jugendlichen bei diesem Thema, berichtet die Teamleiterin Lana, sei ein großer Teil des Problems. Wenn die Umfrageergebnisse selbst an der kaufmännischen Bronner-Schule so bedenklich ausfielen, „wird es an anderen Schulen sicher nicht mehr Wissen darüber geben“, zieht sie das Fazit.  „Mithilfe der Literatur und eigenen Recherchen gingen wir den Gründen für dieses Problem nach“, so Fabio im RNZ-Gespräch: „Ich stellte mir die Frage: Warum interessieren sich Jugendliche kaum für nachhaltige Investments?“ Einerseits seien die Ratings bezüglich der Nachhaltigkeit sehr intransparent, oft hätten nachhaltige Anlagen eine geringere Renditeerwartung. „Da besteht häufig ein Konflikt zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen“, so auch Lennart. Viele Jugendliche sähen im „Spenden“ den einzigen Beitrag, der Umwelt zu helfen. „Aber das stimmt doch gar nicht – und vor allem könnte man durch Wissen um nachhaltige Finanzanlagen auch für die eigene Zukunft vorsorgen,“ betont Robin. Alexandra gibt zu bedenken: „Ein wichtiger Aspekt ist auch die mangelnde Motivation Jugendlicher, sich mit dem – vermeintlich langweiligen – Thema zu befassen, zumal es schwierig ist, gesicherte Informationen zu beschaffen. Daher muss unsere Lösung auch dies berücksichtigen.“

Im Mai war die Gruppe in Frankfurt an der „School of Finance and Management“ bei ihrer unterstützenden Expertin Dr. Menglu Neupert-Zhuang zu Gast, um zunächst zwei Stunden ihre Recherchen sowie Lösungsvorschläge zu präsentierten und sich anschließend mit Neupert-Zhuang auszutauschen. Online zugeschaltet war auch die Betreuerin des Bronner-Teams bei der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) in Kiel. Die ZBW ist eine der Hauptorganisatoren des YES-Wettbewerbs. Anschließend erhielten die Lernenden der Bronner-Schule auch eine Führung über den Campus der Hochschule in Frankfurt, die wiederholt als beste private Wirtschaftshochschule Deutschlands ausgezeichnet wurde, aber auch viele neue Ideen für das eigene Projekt.

Das doppelte Problem aus mangelndem Wissen und fehlender Motivation war erkannt und die Lösungssuche konnte beginnen. Die Kreation einer App wurde erwogen, doch wieder verworfen, „weil es davon schon so viele gibt”, so Felix. Das Team fand eine andere Idee, die die Kriterien des YES-Wettbewerbs erfüllt: Sie ist innovativ, originell, realisierbar und wissenschaftlich lernpsychologisch fundiert. Die „Green Wealth Academy“, wie sich das Team nennt, möchte einen neuartigen „Educational Escape Room“ entwerfen, der auf spielerische Art grundlegendes Wissen zu den Themen Nachhaltigkeit und Finanzkompetenz vermittelt. „Ein Szenario steht bereits“, betont Jana: „Wir möchten, dass sich die Jugendlichen in zwei Gleichaltrige hineinversetzen und sich auf eine Rätsel-Abenteuerreise durch die Welt der nachhaltigen Anlagemöglichkeiten begeben.“ Um sich das nötige Fachwissen zu virtuellen und haptischen Educational Escape Rooms anzueignen, schrieb das Team Herrn Dr. Bernd Remmele von der Pädagogischen Hochschule in Freiburg an, der in diesem Bereich schon viel Erfahrung gesammelt hat. Er betont im Interview mit den Schülerinnen und Schülern, dass die „vielfältige kognitive Aktivierung“, der Gruppen- und Wettbewerbscharakter sowie die „narrativen Elemente“ eines solchen Escape Rooms nicht nur einen bedeutenden Wissenszuwachs lieferten, sondern oft auch besonders motivierend wirkten.

Somit war das Konzept für das Regionalfinale gereift. Die Anstrengungen der kleinen Gruppe unter dem Leitmotiv „Empowering a Greener and Wealthier Future“ waren in den letzten Wochen vor dem Regionalfinale in Mannheim am 13. Juli enorm, denn es galt nicht nur, die Idee zu präsentieren, sondern sie auch in einer regen Diskussion zu verteidigen. Die Arbeit hat sich gelohnt: Das Team der Bronner-Schule sammelte die meisten Punkte von den anwesenden Schulteams, die sich gegenseitig bewerten, und ein hervorragendes Feedback für ihre wissenschaftliche Arbeit durch die Experten. Auch Prof. Achim Wambach, Präsident des ZEW, gratulierte den Siegerteams und zollte Hochachtung ihrem Engagement.  Mit dem Preisgeld soll nun die Idee zu einem phantasievollen Prototypen wachsen und an der Johann-Philipp-Bronner-Schule zum Einsatz kommen. Falls die „Green Wealth Academy“ auch in Hamburg überzeugt, wird der Educational Escape Room sogar evtl. professionell designed und zusammen mit interessierten Partnerunternehmen und Stiftungen ins (Schul-) Leben gerufen. „Das war so ein toller Tag“, so die einhellige Meinung der sieben Schülerinnen und Schüler, die ihren Erfolg erst gar nicht fassen konnten.

Die Teilnahme am internationalen YES-Wettbewerb (in Hamburg werden auch zwei Teams aus den USA und Hongkong dabei sein), wird den Schülerinnen und Schülern im WGI an der Wieslocher Bronner-Schule angeboten. Dieses besondere Profil trägt der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft Rechnung – wie die Themen des YES mit seinen vielen wissenschaftlichen Partnereinrichtungen. Die Bedeutung von Englisch als globale Welt-, Universitäts-, Konferenz- und Verhandlungssprache wird in diesem Profil besonders berücksichtigt: Für drei von sechs Unterrichtsstunden im Profilfach „Internationale Volks- und Betriebswirtschaftslehre“ ist die Unterrichtssprache Englisch. Da zum Bundesfinale des YES-Wettbewerbs viele internationale Experten und Expertinnen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zur Diskussion der „Young Economic Solutions“ eingeladen werden, kann es durchaus sein, dass die Teams dort zwischen Deutsch und Englisch wechseln müssen.

Text: Benjamin Starke
Bilder: Bettina Sieber / Yes-Wettbewerb / Benjamin Starke